Ribal Al-Assad calls for a peaceful transition in Syria in interview with Germany’s Westdeutsche Zeitung newspaper

London. Er ist Cousin des brutalen, syrischen Staatschefs Baschar al-Assad und gleichzeitig einer seiner kritischster Gegner: Der 36-jährige Ribal al-Assad kämpft im britischen Exil für den friedlichen Wandel in seiner Heimat. Über die Perspektiven für das zerrissene Land und seine eigene Lebensgefahr sprach der kontroverse Spross der Herrscherfamilie im Interview. Darin wünscht er sich, dass Deutschland bei der Gründung einer gesamt-syrischen Opposition vermittelt.

Die Kämpfe eskalieren, der internationale Druck wächst. Wie sicher ist Präsident Baschar al-Assad noch in seinem Amt?

Assad Sehr sicher, meine ich. Syrien hat mit Iran, dem Libanon und irakischen Milizen mächtige Verbündete. Außerdem ist die Regierung kein Ein-Personen-Regime. Es wird von vielen Menschen gestützt, die aus Eigeninteresse jede Reform verhindern werden. Wandel würde bedeuten, dass sie für ihre Gräueltaten irgendwann belangt werden. Würde Baschar echte Reformen auf den Weg bringen, würde er sein Leben aufs Spiel setzen.

Sie glauben also nicht, dass die für den 26. Februar angekündigte Volksabstimmung über eine neue Verfassung die Lage beruhigt?

Assad Nein, ich fürchte, dass Syrien schon bald in einen Bürgerkrieg abrutscht, in dem jeder gegen jeden kämpft. Schon jetzt ist das Misstrauen zwischen den vielen verschiedenen Minderheiten und Glaubensrichtungen im Land riesig. Eine ähnlich verfahrene Lage kennt man in Europa aus Sarajevo. Wenn die Spannungen ausbrechen, wird die gesamte Region destabilisiert. Das ist auch der Grund, warum es trotz der furchtbaren Massaker des Regimes bislang nur wenige Überläufer gibt: Die Menschen haben Angst, dass es nach einem Sturz von Baschar al-Assad noch schlimmer wird.

Die Opposition scheint allerdings genauso fragmentiert: Bei einem Treffen von Exilsyrern vergangenes Jahr in der Türkei waren Sie nicht eingeladen …

Assad … und die kurdische Minderheit leider auch nicht. Indessen geben sich Fundamentalisten wie die “Muslimbrüder” als demokratische Opposition aus, was verheerend ist. Aber so lange Widerständler nicht mit einer geeinten Stimme sprechen, fehlt uns die Kraft, Präsident Baschar al-Assad abzulösen.

Was kann die internationale Staatengemeinschaft tun, um Syrien zu helfen?

Assad Wir brauchen ein neutrales Land wie Deutschland oder Indien, das die zersplitterte Opposition mit ihren rund 1000 Leuten vereinen kann. Wenn wir uns bei einer Konferenz zusammensetzen, unserer Differenzen beiseitelegen und einen Plan zum Aufbau demokratischer Strukturen entwickeln, dann wäre das der größtmögliche Druck auf das Regime. Dann könnten wir unter internationaler Aufsicht den Dialog einfordern, den das Regime immer wieder vertagt. Deutschland wird in der arabischen Welt akzeptiert und genießt einen guten Ruf – es wäre ein guter Vermittler.

Kann nicht die Türkei als Bindeglied zwischen Westen und Nahem Osten diese Rolle übernehmen?

Assad Auf gar keinen Fall. Unter Besetzung der osmanischen Armee sind Tausende Syrier umgekommen; die Türkei besetzt auch heute noch syrische Gebiete. Die türkische Regierung wird zudem immer Partei für Islamisten ergreifen. Wir brauchen aber eine Instanz, die es Syrien ermöglicht, sich religionsübergreifend als Nation zu definieren. Die jetzige Diktatur soll nicht von einer Theokratie, sondern einer Demokratie ersetzt werden!

Sollte in Syrien tatsächlich ein Prozess der Demokratisierung beginnen, wollen Sie oder Ihr Vater Rifaat al-Assad dann den Wandel moderieren?

Assad Wir wollen Teil des Wandels sein, aber ihn nicht führen. Macht interessiert uns nicht. Mein Vater war vor seinem Weg ins Exil Vize-Präsident von Syrien. Hätte er regieren wollen, wäre er geblieben. Er hatte ja die Armee auf seiner Seite.

Welche Rolle sehen Sie dann für sich selbst in Syrien?

Assad Die Opposition ist generell die beste Rolle. Und natürlich würde ich einfach mal gern wieder meine Heimat besuchen können.

Sie selber sind bei anderen Regimegegnern extrem umstritten. Ihr Vater soll 1982 Aufstände in der Stadt Hama blutig niedergeschlagen haben. 30.000 Menschen starben. Trotzdem sprechen Sie für ihn …

Assad … weil er unschuldig ist. Zum Zeitpunkt des Massakers von Hama war mein Vater gar nicht vor Ort. Er war in Damaskus als Polizeichef für die Sicherheit des Präsidenten verantwortlich. Aber er war einer der ersten, der demokratische Reformen gefordert hat. Deshalb machte man ihn zum Sündenbock. Schon 1967 hat er eine Zeitschrift herausgegeben, in dem er Ideen für eine politische Öffnung des Nahen Ostens propagierte. Hier in London produzieren wir seit 15 Jahren ein Fernsehprogramm für Syrien, mit dem wir ein demokratisches Forum bieten wollen.

Finanziert das syrische Regime Ihr Leben im Exil, damit Sie nicht zurückkehren?

Assad Nein. Arabische Freunde haben uns am Anfang geholfen, mittlerweile verdiene ich mein eigenes Geld als Geschäftsmann. Das Regime zahlt uns nichts, im Gegenteil: Es hat unser Haus zerbombt, Grundstücke enteignet, unsere Kontaktpersonen werden drangsaliert. Wenn das Regime könnte, würde es uns ganz vernichten.

Ihr Nachname ist trotzdem eine schwere Hypothek. Das Regime, also Ihre eigene Familie, verbannt Sie, aber auch Regimekritiker hassen Sie. Im britischen Unterhaus, in dem Sie 2011 sprechen sollten, gab es um Ihren Auftritt wegen der Vergangenheit Ihres Vaters unappetitlichen Streit. Wie schwer ist das Leben zwischen den Fronten?

Assad Ich weiß ja, dass die Vorwürfe gegen meinen Vater unwahr sind. Es schmerzt mich also nicht.

Was bedeutet ein Alltag im Exil?

Assad Ich habe Syrien als Neunjähriger verlassen; für Kindheit gab es keine Zeit. Wir sind ja immer umgezogen: Von Frankreich nach Spanien in die USA nach China und dann nach London. In die Schule haben uns Leibwächter eskortiert. Unser Quartier lag hinter Mauern und Sandsäcken, weil jemand versucht hatte, einen LKW in unser Haus zu rammen. Es ist extrem frustrierend zu sehen, dass die demokratische Leichtigkeit, die ich in London erfahre, nicht in Syrien umgesetzt werden kann. Einfach mal einen Sandwich-Laden aufmachen? Das ist doch wirklich nicht schwer, aber in Syrien unmöglich.

Bekommen Sie Morddrohungen?

Assad Es gab einige auf meiner Facebook-Seite. Aber ich lebe nur einmal, und das eine Leben will ich nicht in Angst verbringen. Ich will mein Bestes geben für eine Sache, an die ich wirklich glaube. Alles andere entscheidet das Schicksal.

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